Sind die Märkte von der Politik abhängiger als von der Realwirtschaft?
Zahlreiche Manager diverser Investmentfonds sind der Meinung, die Märkte werden bald nicht mehr von den Notenbanken unterstützt werden. Das heißt, die Geldpolitik werde restriktiver. Problematisch sei der Umstand, dass die Märkte aber auf diese Veränderungen gar nicht vorbereitet seien. Die Finanzkrise, die vor fast einem Jahrzehnt war, hat natürlich dafür gesorgt, dass sich die Finanzmärkte an eine komplett andere Welt gewöhnen mussten. Die Notenbanken bestimmten nur noch einen geringen Teil. Doch genau das ist der springende Punkt, der die Manager alternativer Investmentfonds stört.
Ist ein Ende der ultralockeren Geldpolitik in Sicht?
„Selbstverständlich sind die Markte selbstsicherer geworden“, so Jonathan Xiong, der Leiter der alternativen Rentenportfolios bei Goldman Sachs. „Zudem haben sie sich daran gewöhnt, dass sie von den Notenbanken unterstützt werden.“ Des Weiteren sind viele Anleger der Meinung, die Erfahrungen, die sie in den letzten drei bis fünf Jahren gemacht haben, werden sie auch in der Zukunft machen. „Jeder Anleger erwartet steigende Vermögenspreise und zudem auch noch eine niedrige Volatilität. Dies deshalb, weil die Anleger der Meinung sind, das synchrone Wachstum geht mit der immer niedriger werdenden Arbeitslosigkeit Hand in Hand“, so Fadi Fattouh, der bei En-Trust Permal tätig ist, einem Hedgefonds-Arm von Legg Mason, einer Investmentgesellschaft. Aber seit mehreren Monaten geht die Notenbankpolitik in eine komplett andere Richtung. Das weißt auch Jonathan Xiong. „Die amerikanische Fed und die Bank of Canada sind restriktiv geworden.“ Schon im Jahr 2018 werde die Fed den Kurs beschleunigen; auch die Bank of England und auch die Europäische Zentralbank werden demnächst neue Wege gehen. „Jedoch darf man nicht davon ausgehen, dass alle dieselbe Geschwindigkeit haben werden.“ Doch am Ende steht fest: Die Zeit, in der die ultralockere Geldpolitik die bestimmende Kraft war, wird demnächst vorbei sein.
Inflation wird unterschätzt
Ein weiteres Problem: Viele Anleger verlassen sich noch immer zu sehr auf den Umstand, die Notenbanken würden auch weiterhin Rücksicht auf die Märkte nehmen – das war zwar in den letzten Jahren so, wird aber demnächst nicht mehr der Fall sein. „Es geht um die Frage, ob die Notenbankpolitik die Märkte treiben oder die Märkte die Notenbankpolitik treiben“, so Xiong. „Seit dem Jahr 2007 hatten die Marktentwicklungen immer einen recht starken Einfluss auf die weiteren Entscheidungen der Zentralbanken. Heute können wir nicht mehr ausschließen, dass es auch anders gehen kann.“ Ein entscheidender Punkt sei auch die Inflation. Solange die Inflation nicht anziehe, solange werde es beim sogenannten graduellen Rückzug der Banken bleiben. „Die Inflation wird gerne unterschätzt. Der Lohndruck ist aktuell noch zu gering, weil viele Arbeitnehmer demnächst in Rente gehen und durch die jüngeren Arbeitnehmer, die deutlich weniger verdienen, ersetzt werden. Ein Prozess, der aber bald zu Ende gehen wird. Dann wird der Lohndruck erst so richtig steigen“, ist Fattouh überzeugt.
Folgt ein zweites 2006er-Jahr?
„Die Anleger erwarten sich noch immer mehr Volatilität am Aktienmarkt. Wir sind aber der Meinung, dass die Volatilität zunächst am Rentenmarkt entstehen wird“, so Xiong. Berücksichtigt man die sehr niedrigen Renditen, wobei die Laufzeiten kaum noch einen gravierenden Unterschied ausmachen, so muss man von einer flachen Zinsstrukturkurve sprechen. Eine Zinsanhebung kann natürlich ganze Marktsegmente unattraktiv werden lassen – und das über die Nachtstunden. „Werden höhere Risiken gegenüber den Bargeldhaltungen nämlich nicht mehr vergütet, so wird sich kaum noch ein Anleger dafür entscheiden“. So war es auch 2006. Schon damals lagen die Renditen derart eng beieinander, sodass sich immer mehr Menschen gegen Aktieninvestments entschieden. Schlussendlich lagen die Aktienmärkte damals ebenfalls auf einem Rekordniveau. „Eine ganz gleiche Wiederholung wird es zwar nicht geben, aber eine Ähnlichkeit kann sehr wohl beobachtet werden. Fakt ist: Wer Liquidität will, der muss irgendwann einmal verkaufen. Passiert das in einem sehr großen Umfang, dann entsteht die höhere Volatilität automatisch.“